10 June 2020

Seelische Verletzungen überwinden

Zum Überwinden seelischer Verletzungen sind drei Schritte und eine Grundhaltung hilfreich. Die drei Schritte sind Akzeptanz, Vergebung und Dankbarkeit; die Grundhaltung ist Geduld. Im Folgenden möchte ich alle vier Aspekte näher erläutern.

Akzeptanz
Um eine Verletzung überwinden bzw. heilen zu können, ist es zunächst wichtig, dass man die Verletzung akzeptiert und sie nicht verleugnet oder verdrängt. Bei einem Beinbruch leuchtet das sofort ein. Es gilt aber ebenso für seelische Verletzungen. So lange man sie verdrängt, beeinflussen sie die Gedanken und das Verhalten unbewusst. Und da verletzte Menschen wieder Menschen und unter Umständen auch Tiere verletzen und Dinge zerstören, ist es elementar wichtig, sich zu seinen Verletzungen zu bekennen. Egal, was andere Leute sagen, muss man dazu stehen, was passiert ist und sich eingestehen "Mann, das hat sauweh getan!"

Dabei sollte man bereits bei Anzeichen wie lieblosem Verhalten, Süchten, beständigen Beziehungsproblemen oder beständigen Versuchungen Hilfe in Anspruch nehmen, um in einem Coaching oder therapeutischen Prozess die zugrunde liegenden Verletzungen aufzudecken und sie dann bearbeiten zu können. Sobald man die Verletzungen kennt und sie nicht mehr verleugnen oder verdrängen, sondern bearbeiten und überwinden will, ist es wichtig, dass man sich Hilfe sucht.

Vergebung
Hat man sich dazu entschlossen, die Verletzungen zu überwinden, ist Vergebung der nächste Schritt. Dazu ist es zunächst hilfreich mit einem Begleiter das ganze Ausmaß der Verletzungen und alle damit verbundenen Gefühle auszudrücken. Das kann sowohl im Gespräch, als auch schriftlich oder durch Kunst, Musik und Tanz ausgeübt werden. Dabei sollte man der ganzen Wut, Angst und Trauer über das erlittene Unrecht und die erfahrene Ohnmacht Ausdruck verleihen. Man sollte lediglich beachten, dass man niemanden dabei verletzt und nichts kaputt macht. Das geht zum Beispiel, in dem man in den Wald fährt und sich die ganze Wut aus dem Leib schreit. Da man nicht immer schreien kann, bietet es sich an, dafür Ersatzhandlungen mit derselben Intention zu finden. Zum Beispiel kann man die Arme wedeln. Ebenfalls möglich ist das Schlagen in einen Boxsack, Kissen oder die Matratze.

Bei Ängsten empfiehlt sich eine Übung, bei der man sich der Angst bewusst aussetzt und sie so stark werden lässt, bis man es nicht mehr aushält. Dann umarmt man sich selbst, bis die Angst verschwunden ist. Eine gute Freundin des Autors hat diese Übung gemacht und sich danach leicht, wie eine Feder gefühlt.

Verletzungen gehen meistens auch mit negativen Glaubenssätzen einher. Um diese zu überwinden, empfiehlt es sich, sich bewusst neue, gute Glaubenssätze zu eigen zu machen. Eine Meditation, die dazu zu empfehlen ist, ist unter https://www.youtube.com/watch?v=Fdivhalj898 abrufbar. Es gibt aber auch noch viele weitere Tools, um das zu trainieren. Prinzipiell hilfreich sind auch Meditationen, wie auch die Barmer GEK in ihrem neuesten Mitgliedermagazin bekundet.

Im Laufe der Auseinandersetzung mit der seelischen Verletzung treten sehr wahrscheinlich anklagende Gedanken auf. Diese Anklage muss man zum Abschluss der Vergebung loslassen und denjenigen, der die Verletzung verursacht hat aus der Anklage entlassen. Dazu kann man die Anklage schriftlich verfassen und dann das Papier zerreißen oder verbrennen auf dem sie steht. Manche Autoren empfehlen auch, dass man 30 Tage lang jeden Tag ein Vergebungsgebet spricht. Dadurch sagt man nicht, dass das Geschehene richtig war oder dass der oder die Verursacher(in) keine Strafe verdient hätte. Stattdessen gibt man die Last der Verletzung ab, lässt den Schmerz los und überlässt die Vergeltung Gott. In der Bibel sagt Gott, dass die Rache sein und nicht unser Part ist. Wie oft sollte man vergeben? Zunächst bis wirklich keine Anklage mehr da ist. Das kann bei tiefgreifenden Verletzungen ein längerer Prozess sein. Und weiterhin 7 mal 77 Mal. So sagt es Jesus in den Evangelien des Neuen Testaments.

Dankbarkeit
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker!", behauptet der Volksmund. Und hat Recht. Erfahrenen Coaches zufolge macht verarbeitetes Leid auch weise. Das bedeutet, dass wir durch verarbeitetes Leid unglaublich viel lernen können. Weiterhin kommt nach der Verarbeitung von Leid eine ansteckende Freude und Leichtigkeit in unser Leben. Für diese Weisheit, Stärke, Freude und Leichtigkeit, die uns eine enorme Macht verleihen und uns im Rest unseres Lebens noch so viel bringen können, können wir sehr dankbar sein. Und damit auch für das Leid und die Verletzungen, durch deren Verarbeitung wir ja erst diese guten Gaben erhalten haben.

Weiterhin können wir für die Person dankbar sein, durch deren Handeln die Verletzungen erst in unser Leben gekommen sind. Die Bibel spricht sogar davon, dass wir diejenigen segnen sollen, die uns fluchen, also übel mitspielen. Manchmal gar nicht so einfach, aber wirkungsvoll.

Dankbarkeit ist auch die höchste Form der Akzeptanz. Man akzeptiert etwas so sehr, dass man sogar dankbar dafür ist. Weiterhin ist Dankbarkeit die Frucht des Vergebungsprozesses und führt diesen fort.

Bedeutet Dankbarkeit, dass die Situation allumfassend gut war? Nein. Aber im Nachhinein kann es gut werden, wie ja schon eingangs beschrieben.

Bedeutet Dankbarkeit, dass man sich wünscht, das sich die Situation wiederholt? Nein, nicht unbedingt. Es gibt genügend Dinge im Leben, für die man dankbar sein kann, ohne das man sie nochmal wiederholen möchte. Außerdem wiederholt sich keine Situation im Leben exakt gleich. Und somit auch keine Verletzung. Andererseits ja, weil man dann zeigen könnte, dass man gelernt hat souverän mit der Situation umzugehen und sie einen nicht mehr überfordert.

Ohne Zweifel ist Dankbarkeit der schwierigste Teil dieses Prozesses. Deshalb sollte man auch mit sich zufrieden sein, wenn man nur in kleinen Schritten dankbar wird. Es ist für die meisten ein Wachstumsprozess in kleinen Schritten.

Nicht nach jeder Verletzung muss die Beziehung zwischen Täter und Opfer weiterbestehen. Sollte das aber der Fall und von beiden gewollt sein, ist Dankbarkeit eine gute Grundlage für Versöhnung. Erst wenn ich der Person, die die Verletzung verursacht hat, wieder liebevoll begegnen kann, weiß ich, dass ich wirklich vergeben habe. Dabei ist unbedingt auf das Setzen gesunder Grenzen zu achten, damit sich die Verletzung nicht wiederholt.

Man denke auch an die Geschichte Josefs im ersten Buch Mose in der Bibel. Seine Brüder hatten es böse gemeint, aber Gott hat etwas Gutes daraus gemacht und seine ganze Familie und noch ganz Ägypten vor einer Hungersnot bewahrt. Für dieses Gute kann man dankbar sein und dementsprechend auch für das ursprünglich Böse, denn sonst hätte es das Gute vielleicht nie gegeben.

Als Christ kann man sich Dankbarkeit auch als Geschenk von Gott durch den Tausch am Kreuz schenken lassen. Man gibt seine Verletzung im Gebet ab und empfängt Heilung und Dankbarkeit vom Kreuz.

Im Neuen Testament der Bibel, in Epheser 5, 20 steht, dass wir für alles dankbar sein sollen. Für Christen ist es also sogar eine Vorgabe der Bibel, auch für die Verletzungen dankbar zu sein, denn alles bedeutet alles. Ich sag's noch mal: Alles bedeutet auch wirklich alles! Das ist auch nicht verwunderlich, denn in Römer 8, 28 heißt es: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind." Und in Römer 5, 3-5 heißt es: "Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist."

Dass danken nicht unbedingt einfach ist, sehen wir auch an folgenden Psalmversen aus dem Alten Testament der Bibel: Zunächst Psalm 50, 14 fordert uns der Psalmist auf: "Opfere Gott Dank und erfülle dem Höchsten deine Gelübde." Und in Psalm 50, 23 wird uns versprochen: "Wer Gott dankt, der bringt damit ein Opfer, das ihn wirklich ehrt. Er macht den Weg frei, auf dem Gott ihm Rettung bringt!"

Abschließend möchte ich sagen, dass danken und loben uns Stabilität und Sicherheit verleihen, denn es heißt "Danken schützt vor Wanken, Loben zieht nach oben".

Geduld
Was bei den Schritten Akzeptanz, Vergebung und Dankbarkeit besonders wichtig ist, ist sich dafür die notwendige Zeit zu lassen und einen kleinen Schritt nach dem nächsten zu gehen. Auf dem manchmal jahrelangen Weg ist Geduld notwendig, aber man wird mit der Zeit auch geduldiger. Das Ziel voller Glauben stets vor Augen kann man einen Tag nach dem anderen leben und einen Schritt nach dem anderen gehen und ehe man sich's versieht, ist man am Ziel und hat akzeptiert, vergeben und sein Leben mit allen Höhen und Tiefen in Dankbarkeit angenommen.

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!

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Der Autor ist 38 Jahre alt und hat seit frühester Kindheit bis vor einigen Jahren schwerste seelische Verletzungen erlitten. Er befindet sich noch immer auf dem Weg der seelischen Heilung und übt sich darin in Geduld.